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Goethe im Netz (Ein Beitrag im "Spiegel" vom 25.8.1999)

Von Christine Kahle

Den "Werther" per E-Mail weiterschreiben, des Meisters gesammelte Werke auf den eigenen PC laden, Nippes kaufen oder Zitate und Zoten von Zeitgenossen schmökern: Ein kleiner Führer durchs WWW zu Goethes 250. Geburtstag.

Hamburg - Wer sich online auf die Suche nach dem großen Meister begibt, startet am besten im "Goethe-Net": Unter Goethe interaktiv gibt es eine Zusammenstellung der interessantesten Links, sortiert nach Themen: Goethes Werk als Dichter, seine Ambitionen als Forscher und Zeichner, sein Leben als Staatsmann. Von hier aus kommt man per Klick direkt zu den wichtigsten Institutionen, Literatursammlungen und Bibliografien. Außerdem kann man die Veranstaltungsprogramme von Weimar, Frankfurt und anderen "Goethestädten" abrufen. Nippes-Fans finden die Adressen etlicher Online-Souvenirläden. Zusammengestellt wurde die Website von Studenten der TU Ilmenau: In dem kleinen Städtchen im Thüringer Wald fühlt man sich dem Dichter verbunden, seit dieser dort als Amtsmann für den Bergbau zuständig war.

Was Goethe wirklich von Schiller wollte, verrät uns die Foto-Love-Story "Glückliche Tage im Gartenhaus": Inniglich vereint spazieren die beiden Dichter als Handpuppen durch Weimar, mehr teilend als nur geistige Inspiration: "Versprich mir, Friedrich ... Christiane darf es nie erfahren. Niemand darf es je erfahren".

Mindestens genauso skurril, aber ernst gemeint ist Genießer-Homepage: Unter Fleischliche Genüsse, erfährt man dort, dass die Lust auf Wurst eine häufig unterschlagene Dimension in Goethes schillernder Persönlichkeit sei. Briefe an seine Frau Christiane zeigten eine nicht endende Begeisterung des Dichters für Fleischgerichte: "Götze hat mir vortreffliche Knackwürste ausgemacht. Sie mögen nur ein klein bißchen zu stark gesalzen sein. Sorge ja bei der neuen Schlachtung dafür, daß sie gut werden".

Gesamtwerk zum Herunterladen

Wer weniger an deftigen Details interessiert ist und einfach nur beim Meister nachlesen möchte, ist bei Gutenberg Online gut bedient. In der digitalen Bibliothek stehen neben Texten von Goethe mehr als 300 Klassiker in deutscher Sprache zur Verfügung. Und wer schon immer scharf auf Goethes gesammelte Werke war, hat vom 21. August bis zum 5. September beim Chadwyck-Verlag die Chance, die komplette "Weimarer Ausgabe" kostenlos auf den eigenen Rechner zu laden.

"Der große Heide ist tot" - was die zeitgenössische Presse von Goethe und seinen Werken gehalten hätte, kann man in einem Kulturspezial der "Frankfurter Rundschau" nachlesen. "LEIPZIG. Oktober 1774 - Die diesjährige Herbstmesse wird von einem literarischen Ereignis beherrscht: Es ist der anonym erschienene Roman `Die Leiden des jungen Werther´. Sein Autor soll der aus Frankfurt a. M. stammende Johann Wolfgang Goethe sein ..."

In einer Art Count-Down präsentiert die Deutsche Welle bis zum 28. August täglich wechselnde Gedichte und Briefe - zum Lesen und zum Hören. Vorgetragen werden die "Goethe Bytes" von Künstlern, Schauspielern und anderen Prominenten. Mit von der Partie: Joachim Fuchsberger, Johannes Heesters, Guildo Horn, Alfred Biolek und Norbert Blüm. Auch historische Aufnahmen von Elisabeth Flickenschildt und Gustaf Gründgens sind dabei. Zur Unterstützung von Goethe-Neulingen sind alle Hörstückchen mit Zusatzinformationen verknüpft. Goethe-bytes hat die ausführlichste Biografie im Netz und kurze Lebensläufe der fünfzig wichtigsten Personen in Goethes Leben. Links zu allen relevanten Lehrstühlen, Goethe-Gesellschaften und Institutionen erleichtern die weitere Recherche. Klasse: Ein Archiv zur schnellen und gezielten Suche nach Zitaten und Textpassagen. Als zusätzlichen Service für alle Wissenschaftler führt Goethe-Bytes zu Interpretationen im Netz.

Weniger respektvoll begeht der MDR Goethes großes Jubiläum: Aus dem Briefroman "Die Leiden des jungen Werthers" wurde "Get Mail", eine E-Mail-Story, bei der der Leser selbst bestimmt, wie die Geschichte vorangeht, sprich in welcher Reihenfolge er die Mails lesen will. Außerdem gilt es, die wahre Bedeutung des "Werther" zu entschlüsseln. Denn "ach, der gute J.W.G. hat alles codiert: Alles woran W. so bitterlich zu leiden hatte, erscheint nun in anderem Lichte. Lotte, dieses anmutige Geschöpf - reine Fiktion. Wilhelm, tja, der war wohl mehr als ein Freund... Und Leonore, sitzengelassen hat er sie!"